Niko Paech: Befreiung vom Überfluss auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie - Das Update
Niko Paechs Buch von 2012 haben wir hier ausführlich besprochen.
Niko Paech: Befreiung vom Überfluss auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie
Anfang des Jahres kam nun eine überarbeiteter Nachfolger auf den Markt, auf das ich hier kurz eingehen möchte. Kurz deshalb, weil die Unterschiede zum Original eher gering sind. Zum großen Teil wurden die Texte und die komplette Kapitelstruktur übernommen. Ab und an gibt es aktuellere Beispiele und Bezüge.
Die meisten Neuerungen stecken im Vorwort zur aktualisierten Auflage.
Paech glaubt eine Zunahme der Präsenz des Themas in Politik, Wissenschaft und Medien wahrzunehmen. Ich bin mir da nicht so sicher, zumindest kann ich selbst das nicht so empfinden, ohne das in irgendeiner Form recherchiert zu haben.
Paech stellt aber auch fest, dass gerade, als er an diesem Vorwort sitzt um es zu verfassen, er im Radio hört, dass die umstrittene Genehmigung für Erdgasbohrungen nahe der Insel Borkum erteilt wurde. In derselben Nachrichtensendung wird auch berichtet, dass die Bundesregierung Subventionen und astronomische hohe Bürgschaften für die Meyer-Werft übernimmt, damit dort Kreuzfahrtschiffe - jedes einzelne ein Umwelt-Desaster - für den Disney-Konzern fertig gestellt werden können.
"Was durch staatliche Interventionen und Förderprogramme zerstört wird, bildet eine Galaxie, die von industrieller Landwirtschaft, Flüssigerdgasterminals, absurden Flughäfen (etwa Calden bei Kassel), Autobahnen (etwa der A 22 oder der A 49), der Expansion neuner Baugebiete und -projekte, einer (nicht nur ökologisch) ruinösen Digitalisierung bis zu massivsten Landschaftszerstörungen infolge einer entgleisten Energiewende reicht."
Im Buch von 2012 spricht Paech davon, dass wir noch die Wahl für den Übergang zur Postwachstumsökonomie hätten ihn "by design or by disaster" zu gestalten. Also willentlich von uns gesteuert oder durch katastrophalen Zusammenbruch. Diese Option haben wir nach Paech in den vergangenen 13 Jahren bereits verspielt.
Er möchten klarstellen, dass es statt "by design or by disaster" es heißen muss: "by decentalized design and disaster"
Allerdings hält der Autor es für hilfreich und da stimme ich ihm zu 100 Prozent zu, dass jede Bemühung von Einzelnen und von Gruppen sich zu bescheiden und von zentralen Strukturen unabhängiger zu machen, den desaströsen Aufprall abzumildern in der Lage ist und bei Eintritt des Desasters die Zeit des Umdenkens und Umschaltens für alle verkürzen kann.
Noch einen weiteren Gedanken über die Handlungsfähigkeit der Politik hat der Autor seiner Schrift von 2012 hinzugefügt: wie handlungsfähig ist die Politik?
Noch ist die Politik mehrheitlich der Meinung, es gäbe ein Entkopplung von Wachstum und Umweltzerstörung. Aber ein grünes Wachstum ist nicht möglich, was im Buch sehr nachvollziehbar wie ich finde, gezeigt wird.
Wenn also technologische Lösungen scheitern verschiebt sich der Fokus notwendiger Maßnahmen auf das menschliche Handlungsrepertoir. Genauer, die Politik muss den Bürgern Verzicht und Einschränkungen auferlegen, was einem politischen Suizid gleichkäme.
Das gilt auch für die hochgelobte CO2-Steuer.
Für diese Steuer gibt es drei Optionen, die alle im Nichts verlaufen.
1: Die CO2 Steuer so gering machen, dass sie von der Bevölkerung akzeptiert wird. Dann hätte sie aber keine Wirkung, im Gegenteil, sie diente als Alibi für das Gewissen und führt in dem irrigen Glauben, man täte etwas für die Umwelt, zu einem hemmungsloseren Verbrauch.
2. Es wird ein CO2-Preis angesetzt, der zwar hoch genug ist, dass er Wirkung zeigt, aber gerade deshalb eine soziale Spaltung nach sich zieht. Die Einkommensschwachen müssen die Wohlstandssenkung hinnehmen, während die Einkommensstarken die Steuer kompensieren können.
3. Es gibt eine hohe, wirksame CO2-Steuer, aber die Einnahmen werden an die Armen rückverteil. So könnten sich Arme und Reiche weiter den gewöhnten Wohlstand leisten. Der erhoffte Effekt ist nicht gegeben.
Zugespitzt:
"Was die Wählergunst sichert endet langfristig im ökologischen Abgrund. Und was die Lebensgrundlagen sichert, endet bereits kurzfristig im politischen Abgrund."
Daraus folgt, dass die Bestrebungen in Richtung Postwachstumsökonomie niemals über politische Mehrheiten erfolgreich sein werden.
Stattdessen bedarf es sozialer Diffusion. Das gründet auf der Einsicht, dass die Bereitschaft neue Handlungsmuster und Werte zu übernehmen davon abhängt, wie viele andere das bereits tun.
Deshalb ist die Ausdehnung der Pioniere und Vorreiter, zu denen sich auch der Lichthügel zählt, unabdingbar. Im Idealfall entsteht so eine "kritische Masse" und die soziale Diffusion wird zum Selbstläufer.
Ohne die Unterstützung von Katastrophen, bin ich sicher, wird das nicht funktionieren!
Zu guter Letzt setze ich noch die neue Graphik der "Postwachstumsökonomie im Überblick" hier ein. An der hat sich zwar inhaltlich nichts verändert, aber sie ist durch eine neues Design leichter lesbar und - da wohl nicht jeder, der diesen neuen Beitrag liest auch den alten nochmal studiert, hilft es, dass mehrere Leser nochmal einen Blick darauf werfen.
