Gedichte

#1 von petias , 24.06.2020 08:23

Ein sehr schönes Gedicht in dem Katzen vorkommen ist "Der Handschuh" von Schiller. Natürlich geht es eigentlich um ganz was anderes als Katzen. Ein ähnliches Thema wird auch in der bekannteren Ballade "Der Taucher" behandelt, nur ist das hier sehr viel mehr nach meinem Geschmack, was das Ende anbelangt. Schiller selbst nannte den "Handschuh" ein Nachstück zum "Taucher". Beide wurden etwa zur selben Zeit, 1797, fertig.

Der Handschuh

Vor seinem Löwengarten,
das Kampfspiel zu erwarten,
saß König Franz,
und um ihn die großen der Krone,
und rings auf hohem Balkone,
die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
auf tut sich der weite Zwinger,
und hinein mit bedächtigem Schritt
ein Löwe tritt,
und sieht sich stumm
rings um,
mit langem Gähnen,
und schüttelt die Mähnen,
und streckt die Glieder,
und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
da öffnet sich behend
ein zweites Tor,
daraus rennt
mit wildem Sprunge
ein Tiger hervor,
wie der den Löwen erschaut,
brüllt er laut,
schlägt mit dem Schweif
einen furchtbaren Reif,
und recket die Zunge,
und im Kreise scheu
umgeht er den Leu
grimmig schnurrend;
drauf legt er sich murrend
zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,
da speit das doppelt geöffnete Haus
zwei Leoparden auf einmal aus,
die stürzen mit mutiger Kampfbegier
auf das Tigertier,
das packt es mit seinen grimmigen Tatzen,
und der Leu mit Gebrüll
richtet sich auf, da wird's still,
und herum im Kreis,
vor Mordsucht heiß,
lagern die gräulichen Katzen!

Da fällt von des Altans Rand
ein Handschuh von schöner Hand
zwischen den Tiger und den Leun
mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottenderweis
wendet sich Fräulein Kunigund:
"Herr Ritter, ist Eure Liebe so heiß,
wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,
ei, so hebt mir den Handschuh auf."

Und der Ritter in schnellem Lauf,
steigt hinab in den furchtbaren Zwinger
mit festem Schritte
und aus der Ungeheuer Mitte,
nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
sehen's die Ritter und Edelfrauen
und gelassen bringt er den Handschuh zurück,
da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
aber mit zärtlichem Liebesblick-
er verheißt ihm sein nahes Glück-
empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
"Den Dank, Dame, begehr ich nicht",
und verlässt sie zur selben Stunde.
---------------------------------Friedrich Schiller

Und die Moral von der Geschicht: Spiel mit dem Leben deines Liebsten nicht! (Und wenn dich seine Liebesschwüre noch so nerven!)


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#2 von petias , 25.06.2020 23:52

Nachtlied

Dein nackter Körper leicht bedeckt,
Dein Hinterteil zu mir gereckt,
berühren wir uns Haut an Haut,
ganz zärtlich, sanft und sehr vertraut!

Meine Liebe Deinen Schlaf bewacht,
schlaf Liebste, schlaf den Rest der Nacht.
Der neue Tag der bringt uns dann,
was man zu zweit erleben kann.
Die Welt ist wieder neu und schön,
seit wir zusammen schlafen gehen!
---------------------------------------------------------Peter Matthias


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RE: Gedichte

#3 von petias , 28.06.2020 10:39

Stellt Euch vor, was mir neulich Nacht passiert ist. Ich habe es in ein Gedicht gepresst und anonymisiert. Aber Pst, der Klausner der in seinem Bett liegt, das bin ich in meiner Schlafhütte:

Die Füchsin

Dunkel wird‘s, die Füchsin wacht,
und herrscht als Königin der Nacht.
Die Liebste ist‘s in Fuchsgestalt
als Avatar im dunklen Wald.

Der Klausner träumt in seinem Bett
So gern er SIE jetzt bei sich hätt‘!
Da kriecht ein Tier mit weichem Fell,
mit kalter Nas, sonst heiß und schnell
lautlos zur Hüttentür herein
und will dem Schläfer nahe sein.
Es stupst und leckt, knabbert und beißt
den Mann aus seinen Träumen reißt.

Die Füchsin wird zur nackten Frau,
Sie gleicht der Liebsten ganz genau.
Sie widmen sich dem Spiel der Liebe
mal zärtlich, mal sind‘s reine Triebe.
Sie spielen, bis der Tag beginnt,
ihnen erschöpft Erfüllung bringt!

Dann, wieder in der Fuchsgestalt,
entflieht die Schöne in den Wald.
Am Tag es noch nicht möglich scheint,
dass beide glücklich und vereint
sich treffen im realen Leben.
Warum? Egal, so ist es eben!
--------------------------------------------------------------Peter Matthias


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RE: Gedichte

#4 von petias , 02.07.2020 07:42

Für eines ist die Liebe gut: sie regt ab und an den Einen oder die Andere zu poetischen Versuchen an:


Frühlingssonnenstrahl

Fast nebenbei berührtest Du mein kleines Leben,
ein Frühlingssonnenstrahl, ganz scheu.
Hast alte Stärke mir zurückgegeben,
machst meine Welt so schön und neu:

Die tägliche Geburt der Sonne
Die Sterne einer klaren Nacht
Mit Dir zu sein ist reine Wonne,
und Freude, die mich glücklich macht.

Die reifen Gräser einer Sommerwiese
mitsamt dem Volk, das in ihr lebt,
wie sehr die Bande ich genieße,
die meine Liebe zu Dir webt.

Ich will nur immer Dich berühren
Mit Händen, Lippen, meiner Haut,
will Deine Lust tief in mir spüren,
schlaflos, bis der Morgen graut

Ich liebe Dich Du meine Schöne,
doch meine Liebe ist ganz rein,
ist von der Art der leisen Töne,
ganz sanft und schränkt Dich niemals ein
------------------------------------------------------------------Peter Matthias


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RE: Gedichte

#5 von petias , 08.07.2020 11:02

Aus diesem Gedicht von Wilhelm Busch hat mir Gerhard Schönauer (Beitrag "Gerhard Schönauer" in Forum "Lichthügel"-> "Dies und das für jeden was" zitiert, als ich ihn besuchen wollte.
Zum Beitrag über Gerhard Schönauer

Der Einsame

Wer einsam ist, der hat es gut,
weil keiner da, der ihm was tut.

Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
und niemand gibt ihm weise Lehren,
die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
in Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
um angenehm die Zeit zu töten,
und laut und kräftig darf er prusten,
und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergisst man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
»Was, lebt er noch? Ei Schwerenot,
ich dachte längst, er wäre tot.«
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Lässt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
»Wer einsam ist, der hat es gut.«
----------------------------------------Wilhelm Busch


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RE: Gedichte

#6 von petias , 08.07.2020 11:09

Dieser Beitrag ist die Fortsetzung von Beitrag 5 zu Gerhard Schönauer
Zum Beitrag über Gerhard Schönauer

Ich habe dann mit einem anderen Gedicht von Wilhelm Busch geantwortet, um spaßhaft unsere Beziehung zueinander zu illustrieren.

Der Asket

Im Hochgebirg vor seiner Höhle
saß der Asket;
nur noch ein Rest von Leib und Seele
infolge äußerster Diät.
Demütig ihm zu Füßen kniet
ein Jüngling, der sich längst bemüht,
des strengen Büßers strenge Lehren
nachdenklich prüfend anzuhören.
Grad schließt der Klausner den Sermon
und spricht: »Bekehre dich, mein Sohn!
Verlass das böse Weltgetriebe.
Vor allem unterlass die Liebe,
Denn grade sie erweckt aufs neue
das Leben und mit ihm die Reue.
Da, schau mich an. Ich bin so leicht,
fast hab' ich schon das Nichts erreicht,
und bald verschwind' ich in das reine
zeit-, raum- und traumlos Allundeine.«
Als so der Meister in Ekstase,
sticht ihn ein Bienchen in die Nase.
Oh, welch ein Schrei!
und dann das Mienenspiel dabei.
Der Jüngling stutzt und ruft: »Was seh' ich?
Wer solchermaßen leidensfähig,
wer so gefühlvoll und empfindlich,
der, fürcht' ich, lebt noch viel zu gründlich
und stirbt noch nicht zum letztenmal.«
Mit diesem kühlen Wort empfahl
der Jüngling sich und stieg hernieder
ins tiefe Tal und kam nicht wieder.
----------------------------------------Wilhelm Busch


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RE: Gedichte

#7 von petias , 21.07.2020 08:51

Metaphysisches

Ein Mensch erträumt, was er wohl täte,
wenn wieder er die Welt beträte.

Dürft er zum zweiten Male leben,
wie wollt er nach dem Guten streben

und streng vermeiden alles Schlimme!
Da ruft ihm zu die innre Stimme:

"hör auf mit diesem Blödsinn, ja?!
Du bist zum zwölften Mal schon da!"

------------------------------------------Eugen Roth


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#8 von petias , 24.07.2020 09:57

Allzu eifrig

Ein Mensch sagt - und ist stolz darauf -
er geht in seinen Pflichten auf.

Bald aber, nicht mehr ganz so munter,
geht er in seinen Pflichten unter.

------------------------Eugen Roth


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RE: Gedichte

#9 von petias , 28.07.2020 17:55

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werden den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
-------------------------------------Rainer Maria Rilke (1899)


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RE: Gedichte

#10 von petias , 01.08.2020 08:27

Der Unentschlossene

Ein Mensch ist ernstlich zu beklagen,
der nie die Kraft hat, nein zu sagen.
Obwohl er's weiß, bei sich ganz still:
er will nicht, was man von ihm will!
Nur, dass er Aufschub noch erreicht,
sagt er, er wolle sehen, vielleicht...
Gemahnt, nach zweifelsbittren Wochen,
dass er's doch halb und halb versprochen,
verspricht er's, statt es abzuschütteln,
aus lauter Feigheit zu zwei Dritteln,
um endlich, ausweglos gestellt,
als ein zur Unzeit tapfrer Held
in Wut und Grobheit sich zu steigern
und das Versprochne zu verweigern.
Der Mensch gilt bald bei jedermann
als hinterlistger Grobian -
und ist im Grund doch nur zu weich,
um nein zu sagen - aber gleich.
-------------------------------------Eugen Roth


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RE: Gedichte

#11 von petias , 23.08.2020 10:16

Das Karussell

Jardin du Luxembourg (1907)

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von bunten Pferden, alle aus dem Land,
das lange zögert, eh es untergeht.
Zwar manche sind an Wagen angespannt,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
ein böser roter Löwe geht mit ihnen
und dann und wann ein weißer Elefant.

Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,
nur dass er einen Sattel trägt und darüber
ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.
Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge
und hält sich mit der kleinen heißen Hand,
dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.
Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,
auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge
fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge
schauen sie auf, irgendwohin, herüber –
Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
es kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.
Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,
ein kleines kaum begonnenes Profil –.
Und manches Mal ein Lächeln, hergewendet,
ein seliges, das blendet und verschwendet
an dieses atemlose blinde Spiel.
------------------------------------------------- Rainer Maria Rilke


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RE: Gedichte

#12 von petias , 31.08.2020 13:30

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.


Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
---------------------------------------------------------------- Hermann Hesse-------------------------------

Hermann Hesse, gestorben 1962 mit 85 Jahren, war 10 Jahre lang mein Zeitgenosse. Leider habe ich ihn nie kennengelernt.


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#13 von Zauberhaft ( Gast ) , 01.09.2020 14:10

Jedem Moment wohn ich gar inne

Drum tue gut daran mich zu erblicken

Machtvoll gar ersuche ich dich, dein Herz zu erquicken

Umarme dich sanft mit hellem Licht

Sapperlot, ja siehst du mich nicht?


Gez. Dein persönlicher Zauber

Zauberhaft

RE: Gedichte

#14 von petias , 02.09.2020 10:05

Lieber zauberhafter Gast,
eine schöne Antwort auf ein schönes Gedicht! Weiter so!


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RE: Gedichte

#15 von petias , 11.09.2020 09:28

Hexen-Einmaleins

Du musst verstehn!
Aus Eins mach Zehn,
und Zwei lass gehn,
und Drei mach gleich,
so bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
so sagt die Hex',
mach Sieben und Acht,
so ist's vollbracht:
und Neun ist Eins,
und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmaleins
--------------------------------------------Goethe, Faust I, Hexenküche----------------------------------


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