John Seymour: Die Lerchen singen so schön
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John Seymour, geboren 1914 in London, gestorben 2004 in Irland
Ein Griff in mein Bücherregal brachte die Bücher von ihm aus obiger Abbildung zum Vorschein. Sein bekanntestes Buch "Das große Buch vom Leben auf dem Lande" konnte ich gerade nicht finden, ist möglicherweise verliehen.
Das Taschenbuch ist meine neueste Erwerbung, antiquarisch, denn es ist vergriffen und auf Empfehlung von Eule, der wir schon ein paar Kommentare und Geschichten hier verdanken.
"Die Lerchen singen so schön" Originaltitel: "The larks they sang melodious" erschein 1982
Seymour lebte einige Zeit in Afrika, kämpfte im zweiten Weltkrieg, Ab 1957 betrieb er eine Selbstversorgerfarm in Afrika und lebte mit seiner Familie hauptsächlich von eigenen Erzeugnissen.
Nach einigen Jahren zogen sie nach Wales auf die Farm "Fachongle Isaf". Dort setze er das Selbstversorgerleben fort und schrieb Bücher, die in den 1970er Jahren sehr populär wurden. Mich erreichten seine ersten Bücher, während ich in einer Studenten-Land-WG nähe Regensburg lebte und zusammen mit Anderen das Selbstversorger-Landleben erprobte.
1981 übergaben John Seymour und seine Frau den Hof ihren Kindern und sie zogen nach Irland. Dort entstand 1982 der Roman: ""Die Lerchen singen so schön", um den es hier geht.
Die Geschichte:
Das Buch tut so, als wäre es das erste, das nach dem großen Zusammenbruch gedruckt wird und somit ein Zeichen für die wieder einkehrende Normalität ist. Es ist der Bericht von einigen Personen, die die Ereignisse aus ihrer Sicht schildern.
Was war passiert? Ende der 80er Jahre, also ein Near Future Roman (er erschein 1982), kommt England durch schlechte Politik abwechselnd durch die Regierungen gestellt von Labour und von den Konservativen, in große Schwierigkeiten. Ölimporte und Rohstoffeinfuhren bleiben aus. Es beginnt ein Generalstreik, der die gesamte Wirtschaft zum Erliegen bringt.
Das Militär übernimmt die Herrschaft, sichert sich die noch vorhandenen Öl-Vorräte (Benzin, Diesel) um mobil und handlungsfähig zu bleiben. Das Militär verhindert Plünderungen und Aufstände durch Erschießungen und gibt die Parole aus, alles werde geregelt und komme wieder in Ordnung.
Die Landwirtschaft hat verheerende Ergebnisse. Sie besteht hauptsächlich noch aus Großbetreibern wie „London Farming“, die zum größten Teil von künstlichem Mineraldünger, fertigen Futtermittelmischungen für die Massentierhaltung, chemischen Spritzmittel für die Felder und Medikamenten für die Tierzucht abhängig ist. Das alles bleibt aus und geht zur Neige. Seuchen brechen aus unter den Tieren, die verenden in Massen oder müssen gekeult (getötet werden). Es gibt kaum noch Fleisch, die Ernteerträge sind jämmerlich.
Die Handlung konzentriert sich auf Ostengland, auf die Grafschaft Suffolk, die zwischen Norfolk und East Anglia liegt. Auch dort sind die Bauern gezwungen worden, ihre kleinen Höfe aufzugeben und an London Farming zu verkaufen. Nur einer, Bob Hurlock, begünstigt unter anderem durch eine Erbschaft seiner Frau Jessie, hat durchgehalten und bewirtschaftet seine 15 Hektar Farm seit vielen Jahren ökologisch, mit Mist und Gründüngung, Fruchtwechsel und Mischfruchtanbau. Bei ihm ist das Land gesund, die Erträge gut. Das bleibt auch in der Krise so. Seine Erträge gehen nicht zurück, seine Tiere z.B. eine kleine Schweineherde, sind gesund und munter. Seine Frau Jessi erzeugt Saatgut für den eigenen Betrieb, verkauft davon sogar an andere. Sie nimmt Waisenkinder auf, unterstützt Flüchtlinge, die das Land überfluten.
Bob braucht keinen Traktor. Er hat Ochsen dazu abgerichtet, Pflug und Wagen zu ziehen.
Clifford Brown ist der Leiter von „London Farming“ in Suffolk. Er schickt kurzerhand seine Mähdrescher auf die Felder von Bob Hurlock und raubt dessen Getreide noch viel zu früh vor der Reife. Die Körner müssen mit Öl- betriebenen Trocknungsanlagen getrocknet werden, wie verrückt!
Bob protestiert, wird aber massiv bedroht und nach Hause geschickt. Als Brown seine Schweine abholen lassen will, bittet er die Leute herein und bewirtet sie. Er sagt, sie sollen "Einen heben", während er die Schweine transportfähig macht. Bob erschießt kurzerhand seine Schweine. Er kommt zurück und meldet sie bereit. "Einen Eber", sagt er, "braucht Brown nicht. Ficken kann er selber!"
Bob wird verhaftet, verurteilt und in ein Straflager deportiert. Seine Familie wird aus Vergeltung im eignen Hof festgesetzt. Bob flieht mit ein paar Kameraden, sie gehen in den Widerstand. Sie beschaffen sich Waffen, darunter eine Bazooka, und greifen Öl, Vorratsdepots und Einheiten des Militärs an. Seine Familie soll zur Strafe und zur Rache getötet werden. Bob ist der Meinung, dies wäre geschehen und wird zum unerbittlichen Widerstandskämpfer.
Die Soldaten haben Angst, werden selbst unerbittlich, vergewaltigen und morden. Ein schmutziger Krieg. Schließlich zieht sich die Armee aus Suffolk zurück, schließt das Land aber ein. Bob macht sich auf die Suche nach Mike Miller, einem alten Kapitän, der die einzige intakte Segel-Schaluppe betreibt. Mit seiner Hilfe kann die Blockade des Militärs durchbrochen werden. Zudem erfährt Bob, dass der seine Familie gerettet haben könnte, bevor sie getötet werden sollte. Er findet Mike, die Schaluppe und seine Familie und alle kehren zurück nach Hause und entwickeln einen neuen Kleinstaat. Bob wird Diktator, seine Frau und Freunde Minister. Alle finden es gut. Man erlernt Bobs Techniken der Landwirtschaft, die alten Bauern bekommen ihr Land zurück, neue bekommen nach einer dreijährigen Lehrzeit auf anderen Farmen eigenes Land zugewiesen. In den Schulen lernt man Gartenbau und Landwirtschaft und praktische Kenntnisse in Holz und Eisenverarbeitung. Jeder lernt Nahrung anzubauen, schon, damit die eigenen Wurzeln nicht verkümmern, Grundkenntnisse aller überlebenswichtigen Techniken und vertieft eine Spezialfertigkeit, in der er gut ist, und die ihn interessiert. Man hat eigenes Geld, das reines Tauschmittel ist. Die Gasthäuser brauen ihr eigenes Bier, man hat Zeit, viel Arbeit, ist glücklich. Mit der Schaluppe wird Handel getrieben. Schließlich, als klar wird, dass es dem Ausland nicht besser geht und keine Hilfe kommt, das alte Leben passé ist, gibt die Armee auf und es entstehen viele kleine Staaten in Selbstverwaltung, hohem Selbstversorger-Grad, guten nachbarschaftlichen Beziehungen und Handel.
Zwei kleine Handlungen möchte ich noch zur Illustration herausheben. Die erste zeigt Seymours Glauben in die Ethik des Militärs und die menschlichen Werte in einigen Bereichen. Er selbst war Soldat im zweiten Weltkrieg.
Als Bob Hurlock seine Familie wiederfand, war sein 14 Jähriger Sohn verschwunden. Der hatte sich auf den Weg gemacht, den Vater zu suchen. Er beruhigte seine Frau mit dem Hinweis, dass ihm schon nichts passieren würde, da es in England schließlich keine Löwen gäbe. (Da gab es wohl einschlägige Erlebnisse Seymours in Afrika)
Eine zweite Episode hat mich stark berührt. Hurlock wurde in seiner Zeit als Diktator von einem Außenstehenden aufgefordert, sich doch zur Wahl zu stellen. Er würde doch ohnehin gewinnen. Bob lehnte das ab. Begründung: er könnte verlieren. Noch gäbe es zu viele Menschen, die zumindest insgeheim hofften, es mögen wieder Güter aus dem Ausland fließen und es werden wie früher. Diese Hoffnung verbänden sie mit der Armee. Er würde mit den Wahlen warten, bis diese Hoffnung endgültig verschwunden ist. Als die Wahlen mit Bobs Einverständnis kamen, stellten weder er noch seine Frau Jessi sich zur Wahl. Sie zogen sich auf ihre Farm zurück und lebten das Leben, wie sie es immer wollten. Die Zeiten waren wieder gut!
Ich stimme (leider) Bob Hurlock zu. Die Demokratie ist eine Schönwetterveranstaltung. Geht es hart auf hart, ist das Wahlvolk einfach zu blöd für die richtige Entscheidung! Das Problem ist nur, wo sind die untadeligen Weisen, die sich zum Diktator eignen? Leider scheitert daran Platons "Staat" der von weisen Philosophen gelenkt wird. Ich fürchte sehr, die KI könnte sich dafür empfehlen!
Der Titel "The larks they sang melodious" bezieht sich auf ein lokales Volkslied, das die Widerstandskämpfer als Parole sangen.
Résumé:
Der Zusammenbruch mag etwas unerklärt und unvermittelt erscheinen, die Kämpfe und Wirren arg milde, die Idylle danach unglaubwürdig und blauäugig. Da gibt es tatsächlich ein Zurück zum Mittelalter und zur regionalen Kleinstaaterei als zu einem goldenen Zeitalter, das es so nicht gab.
Der Punkt, den ich aus dem Buch für mich entnehme, und um den es Seymour zeitlebens ging, ist die Fähigkeit des Menschen, kleiner menschlicher Gruppenverbänden, für die er geschaffen ist, sich selbst zu versorgen, unabhängig zu sein von globalen Strukturen.
Was Seymour aus der Sicht von 1980 beschreibt: die zunehmende Abhängigkeit von zentralen Verwaltungen, von der Versorgung mit Gütern, der Bereitstellung von Lebensgrundlagen, hat sich bis heute dramatisch verschärft. Wer von uns könnte auch nur noch ein paar Tage überleben, wenn er und die Seinen auf sich allein gestellt wäre. Wie verwundbar, anfällig, verletzlich und schwach macht uns das. Zu einem Spielball von Manipulatoren. Lasst uns nicht zusehen, wie wir unsere Selbstbestimmung komplett verlieren. Ein Leben aus gigantischen Lebensmittelfabriken ohne Bezug zu Boden und Natur ist kein menschliches Leben mehr. Ich will nicht zum Mitglied eines Ameisenstaates gemacht werden, das, komplett überflüssig geworden, von wem auch immer, schließlich abgeschaltet wird.
"Begib dich gleich hinaus aufs Feld, fang an zu hacken und zu graben ..."
Aber es gibt kein Zurück. Das gab es nie. Wir müssen nach vorne! Wo das genau ist, müssen wir noch herausfinden. Das, was wichtig war, soll erhalten bleiben, was vom Neuen gut und nützlich ist für eine menschliche Zukunft, soll vorsichtig geprüft und in den Alltag integriert werden.
Die Entscheidung fällen muss jeder Einzelne für sich.