Niko Paech: Befreiung vom Überfluss auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie
Ich habe versucht meine Kommentare und Ergänzungen blau zu markieren!

10. Auflage 2018
Copy Right 2012 oekom Verlag, München
auf meiner Familienbergtour und drum herum habe ich mit Cousine Ilsi ausgiebig diskutiert. Als ich wieder zuhause war, erreichte mich ihre Nachricht: "Kennst du Niko Paech?"
Ich kannte nicht. Ilsi ging mit einer Freundin zu einem Vortrag von ihm und war positiv beeindruckt. Sie sah viele Parallelen zu meinen Thesen und meiner Lebensweise. Ich beschloss, mich mit ihm zu beschäftigen. Ich bestellte mir eines seiner Bücher, das ich hier vorstellen will.
Aus Wikipedia:
"Niko Paech geboren 1960 in Schüttorf in Niedersachsen ist Volkswirt. Er lehrt und forscht an der Universität Siegen als außerplanmäßiger Professor im Bereich der Pluralen Ökonomik.
Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der Umweltökonomie, der Ökologischen Ökonomie und der Nachhaltigkeitsforschung. Paech hat in Deutschland den Begriff der „Postwachstumsökonomie“ geprägt und gilt als Verfechter der Wachstumskritik."
Einleitung: Wohlstandsdämmerung - Aussicht auf mehr Glück?
Zweck des Buches: Erleichterung des Abschiedes von einem Wohlstandsmodell, das unrettbar geworden ist, da es vom Wachstum abhängt in einer Welt, die längst an die Grenzen des Wachstums gestoßen ist.
Der Schuldenberg wächst, Rohstoffe werden knapp z.B. fossile Rohstoffe, Seltene Erden, Metalle und Flächen!
Die Globalisierung verschob die Probleme in neue Räume erhöhte zugleich die Abhängigkeit von überregionalen Versorgungsketten und Marktdynamiken.
Der zu schwindelerregender Höhe aufgetürmte Wohlstand wird zur Sollbruchstelle. Er gleicht einem Kartenhaus, dabei einzustürzen.
Aber ist das eine schlechte Nachricht? Nein, denn die geschundene Ökosphäre braucht dringend eine Verschnaufpause!
Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) ist eher ein Maß für die ökologische Zerstörung als ein Maß für das Wohlergehen von Gesellschaften. Das allgemein gültige Ziel "Glück" ist nur zu einem sehr geringen Teil von materiellen Gütern abhängig.
Das Buch beschäftigt sich mit drei Thesen:
Erstens: unser Wohlstand ist ohne Wachstum nicht zu stabilisieren und ist das Resultat einer umfassenden ökologischen Plünderung. Menschen eignen sich Dinge an, die in keinem Verhältnis zu ihrer eigenen Leistungsfähigkeit stehen. Sie entgrenzen ihren Bedarf von den gegenwärtigen Möglichkeiten, von den eignen körperlichen Fähigkeiten und von den lokal oder regional vorhandenen Ressourcen (Kapitel I-III).
Zweitens: Der Versuch wirtschaftliches Wachstum von ökologischen Schäden zu entkoppeln, scheitert oder führt sogar zur Verschlechterung der Umweltsituation (Kapitel IV).
Drittens: Das Alternativprogramm einer Postwachstumsökonomie bedeutet eine drastische Reduktion industrieller Produktion, aber stärkt die ökonomische Stabilität der Versorgung (Resilienz) (Kapitel VI).
Unsere reizüberflutete Konsumsphäre verbraucht unsere Zeit. Sie zurückzugewinnen steigert das Glück! Das einzige verantwortbare Gestaltungsprinzip im 21. Jahrhundert heißt Reduktion!
Kapitel I: Über seine Verhältnisse leben - ein vermeintliches Menschenrecht
Zunächst bringt Paech als Illustration für die These, dass unser Wohlstand auf einer umfassenden ökologischen Plünderung beruht Finanzkrise um Griechenland. Darüber wird heute nicht mehr viel gesprochen, aber das Buch entstand 2012 und die Schuldenkrise drang ab 2010 in breite Teile der Öffentlichkeit.
Die Stützung des Euro und das Halten Griechenlands in der EU wurden monströse finanzielle Rettungsschirme aufgespannt mit der Begründung, dass das Scheitern des Euro noch viel teurer werden würde. Die wiedereingeführte D-Mark würde steigen und steigen, andere Währungen fallen, was eine Bedrohung für unseren Wohlstand als Exportnation darstellen würde.
Noch anschaulicher finde ich die gegenwärtige Diskussion um Wirtschaftsförderung und Lockerung oder Aufhebung der Schuldenbremse im Angesicht internationaler Wachstumskrisen unserer Exportabhängigkeit und dem Wegbrechen billigen Gases.
Deutlicher kann man nicht zeigen, wie wenig unser Wohlstand auf uns selbst beruht und wie sehr er auf Kosten anderer Faktoren erschwindelt wird.
Die große Mobilmachung
Die europäische Entwicklungslogik ist von bestechender Schlichtheit. "Demnach ist alles einzuebnen, was der Ausdehnung von industrieller und landwirtschaftlicher Produktion, dem Gebäude- und Infrastrukturneubau, bis in die letzte Nische reichenden Schiffs- und LKW-Transporten sowie kerosintriefenden Bildungs-, Projekt- und Party-Nomadentum im Wege sein könnten."
Vermarktungsmöglichkeiten steigen, wenn es keine Grenzen gibt, keine Währungsrisiken, Transportlosten, Planungsträgheiten, hinderliche Bürokratie oder gesetzliche Ungleichheiten.
Auch der Gedanke zeigt sich wieder in der aktuellen Diskussion. Da wird der Abbau von Bürokratie gefordert, und damit häufig die Aufgabe von mühsam erreichten Umwelt., Natur- und Klimaschutz. Es werden Versäumnisse der Infrastruktur beklagt, die den reibungslosen Handel nahe des Nulltarifes mit billigen (fossilen) Rohstoffen behindern. Die Subventionierung der Energiepreise wird von der Wirtschaft erpresst mit der Drohung mit Abwanderung und ein grüner Wirtschaftsminister geht bereitwillig darauf ein.
Diese gegenseitige Raumdurchdringung von Staaten greift auch auf individueller Ebene.
Was mir an einem Ort nicht gefällt oder nicht gelingt, das versuche ich anderswo. Das erhoffte Glück ist immer einem Ortswechsel oder einige Flugstunden entfernt.
Unternehmen zergliedern ihre Wertschöpfungsketten in immer spezialisiertere Teilprozesse, um sie je nach Kostenvorteil und Absatzmärkten geografisch optimal zu verschieben.
Die persönlichen Lebensstile werden zu einer Ereigniskette räumlich verteilter Events. Das gilt für Urlaub, Bildung, soziale Vernetzung, Fernbeziehung, politisches Engagement, künstlerische Betätigungen, beruflicher Alltag, das Shopping, sportliche Aktivitäten bis hin zum Partytourismus.
Das alles dient dem Ziel zu maximalem Wachstum an Wertschöpfung und individuellen Selbstverwirklichungsoptionen denen der Weg durch immer neue Verwüstungen gebahnt werden soll.
Haben jetzt - zahlen später
Das kreditfinanzierte Leben von Personen, Firmen oder Staaten ist eine Entgrenzung zeitlicher Art. Unzufrieden mit dem, was gerade möglich scheint, werden zukünftige Möglichkeiten geplündert und in die Gegenwart verschoben. Das ist um so effektiver, je weiter die Rückzahlung in die Zukunft verschoben wird. Die Leidtragenden von Staatsverschuldung sind größtenteils noch gar nicht geboren und können sich nicht wehren.
Gerechtfertigt wird diese zukunftsvernichtende Praxis mit dem Glauben an den technischen Fortschritt und der Notwendigkeit von Wachstum gerade für die künftigen Generationen. Werden wir heute in der internationalen Wachstumswirtschaft abgehängt, heißt es, können das unsere Enkel nicht mehr aufholen.
Kapitalaufnahme und Kapitaldienst (Zinsen) bedingen wirtschaftliches Wachstum. Selbst wenn aufgenommenes Kapital und die Zinsen in der eigenen Lebensspanne zurückgezahlt werden können, so ergibt das nur einen Sinn, wenn das zu wirtschaftlichem Wachstum führt. Was hätte es sonst für einen Sinn (abgesehen von existenziellen Notlagen), sich Geld zu leihen, wenn man nachher nicht besser dasteht, ja schlechter, wenn man an die fälligen Zinsen denkt.
Die Gefahren, das das komplizierte System aus Schulden und Wachstum in sich birgt, der Zusammenbruch des Kartenhauses, werden von allen Beteiligten gefürchtet.
Kein Wunder, dass der Staat selbst die schlimmsten Klimakiller nicht besteuert, sondern sie sogar wie z.B. unwirtschaftliche Flughäfen noch subventioniert.
Alle Versuche Auto fahren, fliegen, unnötigen Konsum, nach belieben Bauen etc. einzudämmen, scheitern, weil unter den Wahlbürgern die Nutznießer eines Lebens über ihre Verhältnisse längst in der Mehrheit sind.
So dienen die europäischen Agrarsubventionen nicht der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, sondern sie halten auf Kosten der Artenvielfalt und der Umwelt die Preise für das Essen künstlich klein, damit dem Konsumbürger genug des Geldes für Konsumgüter bleibt.
Von Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Wasser, Verkehrssysteme, Energie, Abfallentsorgung, Kulturangebote etc. wird erwartet, dass sie so billig sind, dass sie den gewohnten Konsumalltag nicht wesentlich finanziell stören.
Auf diese Weise nehmen alle, wenn auch zu unterschiedlichen Anteilen am Wachstum teil. Gewerkschaftliche Verteilungsdebatten und Kämpfe sind zwar durchaus richtig und wichtig, sind aber nicht genug. Lässt sich Plünderung etwa dadurch legitimieren, dass die Beute gerecht verteilt wird?
Kapitel II: Fortschritt als Illusion - Wohlstand durch Plünderung
Beim näherem Hinsehen erweist sich der technische Fortschritt und der menschliche Erfindergeist als Quelle von Wohlstand als Mythos.
Effizienzmythos I: Industrielle Arbeitsteilung und Marktwirtschaft
Gängige Erklärung: Wenn die Produktion von Gütern in viele isolierte Teilprozesse zerlegt wird, auf die sich einzelne Produzenten spezialisieren, so kann insgesamt mehr produziert werden, als wenn ein Produzent das ganze Gut herstellen würde.
Es wird unterstellt, dass der Effizienzgewinn sich nicht aus vermehrten Materialeinsatz speist, sondern aus Wissen, Fertigkeiten, bessere Organisation, jedenfalls aus nicht materiellen Dingen.
Tatsächlich geht es um weit mehr, als um das Optimieren: Nämlich um die Überwindung von Raum und Zeit.
Gedankenspiel: Die Bürger einer kleinen Stadt versorgen sich selbst. Sie backen ihr eignes Brot, stellen Kleidung her, Schuhe, Möbel etc.
Sie kommen überein, dass sich jeder von ihnen auf die Herstellung eines Produktes konzentriert. Den ganzen Tag nur Brot backen oder Socken stricken ermöglicht es den Personen darin sehr geschickt und gut zu werden. Es braucht für jedes Produkt nur einen Satz an Werkzeugen wie Backofen oder Nähmaschine und so etwas muss nicht in jedem Haushalt stehen. Das senkt den Produktionsaufwand (Kosten) und steigert den Wohlstand Aller.
Diese Effizienzsteigerungen wären aber bald ausgereizt. Eine weitere Wohlstandssteigerung wäre denkbar, wenn z.B. die Bäckerei auch die Nachbarstadt beliefern könnte, weil da z.B. das Getreide teurer ist. Im Gegenzug könnte sich die Nachbarstadt auf Schuhe spezialisieren, weil dort z.B. das Leder billiger ist. Eine weitere Kostensenkung könnte sich ergeben, wenn der Schuster z.B. die Sohlen nicht mehr selbst herstellt, sondern sie von einem anderen Hersteller bezieht, der weit entfernt angesiedelt ist und dort sehr viel billiger produzieren kann als am eigenen Standort. Aber es ist ein hoher Aufwand von Nöten an Anlagen, Transportkosten und Organisation. Damit sich das lohnt, muss die Stückzahl stark erhöht werden. So bedingen sich die Ausweitung der Märkte und die Effizienzsteigerung der Produktion gegenseitig.
Die vermeintliche Effizienz der industriellen Arbeitsteilung führt dazu, dass Produktionsstätten vergrößert, verändert, ersetzt, entsorgt und verlagert werden müssen. Der Transportaufwand steigt, ebenso die Umweltbelastungen.
Seit die Verwüstungen dieser Entgrenzung der Produktion nicht mehr zu vertuschen sind, wird die Hoffnung auf materiell entkoppeltes Wachstum in die Digitalisierung gesetzt. Aber gerade die wird zum Schrittmacher materieller Expansion.
Nichts braucht soviel Energie und Ressourcen wie Streaming Dienste, künstliche Intelligenz, virtuelle Welten (Second Life) etc. Die Chips verbrauchen Rohstoffe und es fließen Milliarden Subventionen in diese digitalen Zukunftstechnologien. Diese Gelder müssen erwirtschaftet werden. Auch digitales, virtuelles Wachstum ist auf der Verschwendung von Rohstoffen und biologischen Räumen aufgebaut, das nicht materielle Wachstum ein Mythos.
Effizienzmythos II: Innovationen und Produktivitätsfortschritt
Die Idee ist plausibel: Wenn technischer Fortschritt zu geringeren Stückkosten führt, können die Preise sinken.
Aber die Stückkosten lassen sich nur durch eine hohe Anzahl an Stück verringern, die mit neuen Produktionsstätten und Maschinen erzeugt werden müssen. Damit sich die Investitionen lohen, muss eine noch größere Zahl an Output erfolgen. Die Folge ist eine Erweiterung der Märkte für Absatz und Rohstoffe.
Dazu kommt, dass die Konkurrenz nicht einfach aufgibt, sondern ihrerseits die Effizienz zu steigern versucht und neue Märkte braucht. Die Konkurrenz zwingt zu engen Kalkulationen und die zu weiterer Marktdurchdringung.
Durch den Zwang mit immer neuen Produktionsstätten immer "effizienter" zu produzieren ohne dass die alten unbrauchbar geworden wären bedeutet eine enorme Vernichtung von Ressourcen und investiertem Kapital.
Effizienztypen I und II sind eng miteinander verzahnt und bilden immer "Neue Kombinationen" (Schumpeter)
Sie erschließen immer neue noch brach liegende Ressourcen. Wind-, Solar- und Bioenergienutzung bisher "unproduktive Flächen" oder widmen sie gewinnbringend um.
Offshore Anlagen und Solarparks auf Landwirtschaftsflächen, Windräder in Wäldern etc. sind Beispiele.
Durch die E-Autos und Stromspeicher werden z.B. "Seltene Erden" und Coltan, die vorher niemand brauchte, zu begehrten, weil knappen Wirtschaftsgütern. Die kolossalen Mengen an Elektroschrott bieten wiederum neue Möglichkeiten für die Entsorgungs- und Recyclingindustrie.
Wohlstandssteigerung durch Arbeitsteilung und technischem Fortschritt erweist sich als Mythos. Aber es ist nicht der einzige Mythos, den es zu entzaubern gilt.
Arbeitskraft als Quelle für Wohlstand?
Wer arbeitet bekommt Geld und kann sich was kaufen. Somit gelten Konsum- und Mobilitätswohlstand (Reisen) als verdient und erarbeitet. Wirklich?
Konsumenten verbrauchen Dinge, die sie selbst niemals herstellen könnten oder wollten. Andernfalls wären sie Produzenten oder Selbstversorger. Das Wesensprinzip des Konsumierens besteht darin, sich die von anderen Menschen an anderen Orten geleistete Arbeit vor allem die so erzeugten Produkte aus Ressourcen und Flächen zunutze zu machen.
Wenn Kapitalismuskritik sich auf die Aneignung des Mehrwertes beschränkt, wie dies bei Marx z.B. der Fall ist, greift sie zu kurz. Das ist in der Zeit von Marx nicht weiter aufgefallen, aber heute im Zeitalter der Globalisierung wird klar, dass der Konsum nur durch entgrenzte Arbeitsteilung möglich ist. Die fleißigen Arbeiter und die genialen Unternehmer beanspruchen als Lohn für ihre Mühen eine Beute, die es aus ökologischer Sicht gar nicht erst geben dürfte und die alles andere als "verdient" oder "erarbeitet" ist.
Umgeben von Energiesklaven
Der Trend geht zum Internet der Dinge. Mit einem Fingerwisch auf dem Bildschirm von denen einer in jedem Raum steht wird der komplette Alltag gesteuert. Der Kühlschrank bestellt selbstständig Nachschub. Die eigenen Digitalkamera, Akkuschrauber, Latte-Macchiato-Maschine, Auto usw. erspart die Bürde des Nachfragens, Wartens, Verhandelns, Arrangiereins, Bittens, Teilens und zeitweise Entsagens.
Fitness-Geräte und Schönheits-OPs dienen der Selbstoptimierung. Gesellschaftspolitisches Handeln lässt sich durch eine Überweisung an Greenpeace sicher bald auch von der Verbrauchsschleuder Flugzeug aus nebenbei abhaken.
Was dabei verkümmert sind neben manueller Kompetenzen vor allem die Kraft zur Genügsamkeit!
Die Eintrittskarte für das Schlafaffenland ist Geld. Das ist das Bindeglied zwischen Zugriffsberechtigung und angeblich erbrachter Gegenleistung.
Aber die Marktdynamiken leistungsloser Geldvermehrung (Spekulationsgewinne, Zinsen, Erbschaften, Renditen etc.) entkoppeln die Verbindung zwischen Leistung und Konsumanspruch.
Wie rechnen sich das Versenden von Emails, Telefonieren, das Teilnehmen an Besprechungen auf Einfamilienhäuser und Urlaubsreisen um? Wie "verdient" rechnet sich der Spekulationsgewinn von 50000 € in Autos, Urlaubreisen oder Flachbildschirme um?
Die Simulation der eigenen Leistung
in "Small is Beautifull" (1973) beklagt Ernst Friedrich Schumacher, dass moderne Technologien den Menschen die Handarbeit rauben. Er zieht eine Trennlinie zwischen Menschen die produzieren und solchen, die anderen sagen, was sie tun sollen.
Heutzutage gleicht moderne Produktion einem Verstärker, der ein minimales menschliches Signal in eine donnernde Symphonie an Energie- und Materialumwandlung übersetzt.
Dis gilt natürlich nur für hochentwickelte Industriegesellschaften. Aber die, die es noch nicht sind, fordern zurecht ihren Aufstieg und ihre Teilhabe an der "Schönen Neuen Welt!
Das Befehligen unzähliger Energiesklaven steht in keinem Zusammenhang mehr zur eigenen Arbeitsleistung.
Wissen als Quelle für Wohlstand
Der Zugang zur "Schönen Neuen Welt" liefert das Geld als Belohnung für mehr oder weniger symbolisches Handeln. Ein Weg in der Hierarchie der Symbolproduktion weit aufzusteigen, ist Bildung.
Die Bildungsindustrie gilt als Schlüsselindustrie für Wohlstand. Mängel daran (Pisa Studie) rechtfertigen massiven Einsatz von Steuergeldern.
Das Bildungssystem bereitet auf die entgrenzte Arbeitsteilung und Mobilität vor. (Auslandsstudium, Gastsemester, Schüleraustausch) aber die praktisch handwerklichen Fähigkeiten gehen selten über die Bedienung eines Touchscreens hinaus.
Die "erarbeiteten" Bildungsabschlüsse sind an den Anspruch entsprechender guter Positionen im Arbeitsleben gekoppelt. Andere Daseinsformen die auf praktischer und bescheidener Lebenskunst beruhen, werden als "bildungsfern" diskreditiert.
Zwischenfazit: Die Rückkehr zur Sesshaftigkeit und zum menschlichen Maß
Die enorme Steigerung des materiellen Wohlstandes seit Begin der Industrialisierung beruhen allein auf ökologischer Plünderung. Diese Erkenntnis angewandt auf jedes einzelne Individuum ergäben bei 7 Milliarden Menschen nach Ansicht des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat für Globale Umweltveränderung) eine individuelle CO2- Menge von 2,7 Tonnen pro Jahr.
Das bedeutet zugleich eine Rückkehr zur Sesshaftigkeit, denn ein CO2-Budget von 2,7 Tonnen pro Mensch und Jahr lässt keine großen Sprünge zu.
Friedrich Schumacher und Leopold Kohr haben den Begriff der "mittleren Technologie" geprägt. Ivan Illich spricht von der "konvivialen Technologie".
Vereinfacht meint das Hilfsmittel und Werkzeuge, die die Produktivität menschlicher Arbeitskraft zwar erhöhen, aber nicht ersetzen:
Fahrräder, Nähmaschinen, ökologischer Landbau, Angelruten, Mechanische Rasenmäher, Handwerkszeuge, Mehrwegverpackungen, Segelschiffe, reparable Holz- und Metallprodukte etc. .
Der Zwang zur Ausweitung des BIP kann z.B. durch Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 20 Stunden aufgehoben werden. Die frei werdende Zeit kann für Selbstversorgung und Gemeinschaftsbildung verwendet werden.
Alle Praktiken, die dazu verhelfen materiell über seine Verhältnisse zu leben, schmälern auf einem endlichen Planeten die Möglichkeiten zukünftiger Menschen.
Nicht nur Unternehmen beuten aus. Wenn Ausbeutung darin besteht, sich Werte anzueignen, die in keiner reziproken Beziehung zur eignen Leistung steht, gilt das für jeden Konsumenten. Entgrenzter materieller Wohlstand entsteht nur aus ökologischer Plünderung!
Kapitel III: Freiheit als Illusion - neue Abhängigkeiten
Begriff: Fremdversorgungssystem
Darunter wird ein hoch arbeitsteiliges Waren- und Dienstleistungssystem verstanden, indem der einzelne Teilnehmer Geld mit einer hoch spezialisierten Tätigkeit erwirbt, mit dem er sich fast ausschließlich einkauft, was er an Waren und Services
braucht.
Wer hoch fliegt, fällt um so tiefer
Je tiefer jemand in einem System der Fremdversorgung steckt, desto mehr ist er ihm schicksalhaft ausgeliefert. Wenn alle Supermärkte des Landes plötzlich keine Waren mehr führten, und die Lieferdienste für Internetbestellungen nicht mehr funktionierten, wäre der "homo consumens" zum aussterben verdammt. Denn die Fähigkeit sich durch eigene gärtnerische und handwerkliche Leistungen oder lokale Ressourcen seine Daseinsgrundfunktionen zu gewährleisten, hat er verloren.
Der Bürger im Fremdversorgungssystem ist von finanziellen Mitteln abhängig, ob auf dem Markt erworben oder als Sozialleistung vom Staat. Auch seine soziale Teilhabe hängt davon ab, ob und wieviel er vom Fremdversorgungssystem für sich abzweigen kann. So steigt von Jahr zu Jahr das politisch definierte Versorgungsminimum, das als Armutsgrenze festgelegt wird. Individuelle Freiheit und die Teilhabe an der Gesellschaft bedeutet, sich auch soviel leisten zu können wie andere.
Wer hoch fliegt, fällt um so tiefer! Komfortable Fremdversorgung wird mit hoher Verletzlichkeit erkauft. Je höher das Niveau an Komfort, Mobilität und Konsum, desto katastrophaler der Absturz! Wer es sich in der "wattierten Nonstop-Rundumversorgung" gemütlich gemacht hat, verliert die individuelle Freiheit, die Fähigkeit sich selbst zu versorgen.
Deshalb leben die Fremdversorgten ständig in Angst vor der Zukunft und reagieren äußerst gereizt, wenn die "geldspeiende Wachstumsmaschine" auch nur zu stottern beginnt.
Kapitalismuskritik kann diese Angst nicht heilen, denn das Problem wird nicht dadurch gelöst, dass die Menge der zur Verfügung stehenden Fremdversorgungsleistungen gerechter verteilt werden.
Wenn wir den Rückbau überzogener Ansprüche nicht selbst vornehmen, werden es schicksalhafte Umstände für uns erledigen. Aber nicht mit Samthandschuhen!
Peak Everything: Konsumgesellschaften verlieren ihre materiellen Grundlagen.
Unser notwendiges Wachstum hängt von Ressourcen ab. Der "Peak Oil", also das zeitliche Maximum der weltweiten Förderrate von Rohöl ist längst überschritten und der Versuch zunehmend erneuerbare Ressourcen einzusetzen führt unweigerlich zu einem "Peak Everything". Cobalt, seltene Erden, knappe Metalle sind unabdingbar für die Abkehr von den fossilen Rohstoffen, wollen wir unser Konsumniveau halten. Schlimmer, die Milliarden an Unterprivilegierten der sogenannten "Dritten Welt" wollen ihren Anteil am Kuchen.
Der Druck auf Innovationen und der Erschließung neuer Rohstoffquellen ist riesig und manche denken schon an den Weltraum, an Nachbarplaneten und Monde.
Fremdversorgungsabhängigkeit maximiert das Risiko sozialen Absturzes. Die kommenden Finanz- und Verschuldungskrisen werden dieses Risiko erhöhen.
Nur der Rückbau des Fremdversorgungssystems kann die inzwischen erreichte Fallhöhe verringern, den Sturz abmildern, der unvermeidlich ist!
Kapitel IV: Mythos Entkopplung - die Mär vom "grünen Wachstum"
Die Politik verspricht uns die besten aller Welten durch "Grünes Wachstum". Man tut so, als könne unsere Wohlstands- und Konsumgesellschaft munter weiter wachsen und das wäre sogar die Voraussetzung dafür, Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben, den das kostet Geld.
"Green New Deal" und "Dritte industrielle Revolution" sind andere magische Worte für das Zauberkunststück ewiges Wachstum und Ökologie zu verbinden.
Das Ganze mutet wie eine magische Diät für Übergewichtige an: "Friss das Doppelte und nimm dabei ab!"
Aber niemand vermag zu erklären: Wie soll jemals praktisch wahr werden, was noch nicht einmal theoretisch funktioniert?
Dabei ist unter relativer Entkopplung und absoluter Entkopplung zu unterscheiden. Bei ersterer sinkt der Anteil der CO2-Belastung pro zusätzlichem Dollar des steigenden BIPs. Bei letzterer sinkt die ökologische Belastung insgesamt, trotz steigendem Wachstums.
Materielle Rebound-Effekte
Technische Innovationen brauchen immer auch Material. Im Idealfall verbrauchen sie weniger Ressourcen als die alten Techniken. Alte Techniken bestehen zumindest vorläufig fort, und werden im günstigsten Fall nach und nach durch die neuen Techniken ersetzt. Der Abbau der alten Technologien stellt eine Vernichtung von Ressourcen dar. Frei gewordenen Ressourcen durch die neuen Techniken führen oft zu zusätzlichem umweltbelastenden Konsum.
Unbeherrschbare Innovationsrisiken
Ökologische Entkopplung setzt technischen Fortschritt voraus fordert Innovationen. Die Risiken und Langzeitfolgen dieser Innovationen sind bei der Einführung meist unbekannt. Der in den 1980ern eingeführte Katalysator für Benzinmotoren war eine Sensation und nahm den Kritikern der Verbrennungsmotoren den Wind aus den Segeln.
Der ökologische Rucksack eines Katalysators beläuft sich wegen des Platinbedarfs auf ca. eine Tonne Materials. Im Zuge seiner massenhaften Verbreitung stellte sich heraus, dass sie Edelmetall-, Keramikfaser-, Lachgas- und Ammoniak-Emissionen freisetzen. Dadurch hat sich unter anderem die Moos- und Flechten -Vegetation an den Straßenrändern verändert.
Viele der aktuell diskutierten Entkopplungsstrategien erfordern innovative Lösungen im Bereich Digitalisierung, Mikro- und Halbleitertechnik und der drahtlosen Kommunikation. Wie sich z.B. die steigende Strahlenbelastung auswirken wird, ist noch nicht bekannt.
Hierfür wären Langzeitstudien nötig, die aber aus Zeit und Kostengründen und aus Angst vor dem Ergebnis nicht gemacht werden. Schlimmer noch,
das würde gar nicht funktionieren, denn eine auch nur halbwegs realitätsnahe Versuchsanordnung kann gar nicht erstellt werden. So sind die Verbreitung all dieser Strahlungsquellen zugleich Experiment und Ernstfall! Wir und das gesamte Ökosystem sind die Versuchskaninchen!
Werden die Schäden sichtbar, ist es zu spät. Die bereits eingetretenen Schäden sind nicht mehr Rückgängig zu machen und es haben sich längst Verwertungsinteressen herausgebildet, die sich bestens zu verteidigen wissen und drittens haben sich moderne IT-Endgeräte zu einer unverzichtbaren Symbolik für Selbstdarstellung entwickelt.
Außerdem, wer soll alle diese Geräte wieder einsammeln und entsorgen?
Es gibt viele solcher Beispiele. Chemikalieneinsatz überall, auch in Hygieneartikeln, Mikroplastik, Isolationsmaterial, Wind- und Solar-Parks.
Die nächsten Fortschrittswellen ziehen heran: Elektromobilität, Freiflächen-Fotovoltaik, Desertec, Carbon Capture und Storage (CCS), Pumpspeicherkraftwerke, Smart Homes etc.
Die Neuen Techniken verheißen grandiose Fortschrittschancen, die das Risiko rechtfertigen.
Die negativen Folgen sind unvermeidlich, gelten aber als eher zufällige Kunstfehler, die bei der nächsten Technologiewelle wieder behoben werden.
Die Nebenwirkungen einer Innovationswelle erfordern die nächste Innovationswelle und so weiter. In Summe wird es immer schlimmer!
Als die für den Menschen fatalste Innovation könnte sich die KI (Künstliche Intelligenz) erweisen!
Finanzielle Rebound-Effekte
Durch Effizienzsteigerung eine Ressource muss deren Verbrauch nicht sinken (Wilhelm Stanley)
Wird ein Produkt billiger hergestellt, sinkt aus Marktvorteilsgründen der Preis. Das führt zu einer erhöhten Nachfrage.
Ist eine Ressource billiger zu haben, wird Geld frei, sich andere Ressourcen zu konsumieren!
Derartige Effekte wären nur vermeidbar, wenn die Effizienzsteigerung sowohl beim Produzenten auch als auch beim Konsumenten komplett abgeschöpft würden.
Aber: würde es dann noch Innovation geben? und vor allem? Gibt es dann noch Wachstum? (Wir untersuchen hier grünes Wachstum, ohne Wachstum wäre es kein grünes Wachstum. Dass "grüne" Effekte ohne Wachstum, ja durch Schrumpfen möglich sind, ist gerade Gegenstand des Buches!)
Der Kapazitäts- und der Einkommensaspekt ökologischer Investitionen
Jede Investition in neue Produktionsstätten löst einen Kapazitäts- und Einkommensaspekt aus. Die gesteigerte Kapazität erhöht den Gesamtoutput, wenn nicht dafür andere Produktionsstätten abgebaut werden. Der Einkommensaspekt tritt immer auf.
Beispiel Ökostrom:
Die Investition in Anlagen zur Erzeugung von Ökostrom stellen zunächst keine Kosteneinsparungen dar, sondern erhöhen die ökologische Qualität des Stromes. Selbst wenn der Strom dazu dient, fossil und atomar generierten Strom zu ersetzen, bleiben die Gewinne der Betreiber und die Löhne der Arbeiter und Angestellten und steigert damit die Volkswirtschaftliche Kaufkraft.
Man könnte nun die zusätzliche Kaufkraft in wenig material- und energieintensive Dienstleistungen umleiten, wie Bildung.
Angenommen, es gelingt die Einkommenszuwächse durch die Investition in erneuerbare Energieanlagen vollständig in Bildung umzulenken, dann dürften dies nur Ausgaben für zusätzliches Personal sein, z.B. Lehrer. Die Investition in Gebäude, Computer, Bildungsreisen würde die ökologische Neutralität ausschließen.
Aus demselben Grund müssten die Lehrer mit ihrem Gehalt nur Lehrer nachfragen und diese ebenfalls ...
Aber die Lehrer werden sich nicht davon abhalten lassen, dieselben Konsumgüter nachzufragen, wie andere Konsumenten auch. Studien zufolge liegt die durchschnittliche CO2 Menge eines einzigen Euros zusätzlichen Einkommens bei über einem Kilogramm.
Dazu kommt, dass wenn der Strompreis sinkt, weil Ökostrom billiger herzustellen ist, der Strombedarf steigen wird.
Psychologische und politische Rebound-Effekte
Mit dem Argument ökologischer Effekte die von einer Neuerung ausgehen, kann es dazu kommen, ob der Effekt nun eintritt oder nicht, nicht ökologisches Verhalten zu rechtfertigen.
So hat der "3 Wege Kat" die Kritik am Verbrenner zurückgedrängt, selbst aber die ökologische Belastung erhöht.
Genauso würgt das Passivhaus die Diskussion über die Neubaubeschränkung von Einfamilienhäusern ab.
Weder Katalysatoren noch Passivhäuser oder Photovoltaikanlagen sind zum ökologischen Nulltarif zu haben. Es kann eine zusätzliche Belastung resultieren, die ohne den legitimierenden Effekt der Entkopplung nicht eingetreten wäre.
Das Elektroauto regt zum häufigeren Fahren an. Es ist doch umweltfreundlich. Wer Ökostrom bezieht, hat ein gutes Argument es mit dem Stromverbrauch nicht so ernst zu nehmen.
Absolute Entkopplung
Relative Entkopplung trägt per definitionem nicht zur Entlastung der Umwelt bei, denn nur im günstigsten Fall kann mit einem Sinken der ökologischen Belastung des Wachstums gerechnet werden. Aber insgesamt steigt die Belastung weiter. Selbst diese nur theoretisch eintretende Verlangsamung der Schadenszunahme scheitert regelmäßig.
Absolute Entkopplung - Wachstum ohne Umweltschäden - ist ein Paradoxon
Wenn durch neue Technologien keine neuen Materialien verbraucht werden dürften, müsste sie nur durch den Abbau der alten Technologien erfolgen. Es bedürfte eines perfekten Recyclings. Das gibt es nicht! Wenn das Wachstum aufrecht erhalten werden soll, müssten bald auch die bereits effizienten Technologien ersetzt werden, das würde den Verbrauch der vorhanden Materialen noch schneller verbrauchen.
Und wenn man nur das vorhanden Material und die Flussgrößen ausgetauscht würden, worin bestände dann das Wachstum?
Von der Objekt- zur Subjektorientierung
Es ist fehlerhaft, einem Objekt, einer Dienstleistung, einer Technologie Nachhaltigkeitsmerkmale zuzuschreiben.
Ein Drei-Liter-Auto ist nicht klimafreundlicher als ein 20 Liter schluckender Opel Admiral, wenn erstere täglich 200km zur Arbeit fährt und letztere - stolzer Bahncard Inhaber nur 5 Mal im Jahr ein lokales Ziel ansteuert, zu dem es keinen öffentlichen Verkehr gibt.
Ein Passivhaus trägt nicht zur Klimarettung bei, wenn der Besitzer jede Woche eine Flugreise antritt und gerade deshalb vor allem wegen der Reputation in das Haus investiert hat.
Dasselbe gilt für die SUV-fahrende Stammkundschaft des Bio-Supermarktes, in deren Haus in jedem Zimmer ein Flachbildschirm hängt.
Der in Sack und Asche daherkommende Subsistenzaktivist aus der Berliner Alternativszene der heute im heimischen Garten buddelt und morgen an einer Klimakonferenz in New York teilnimmt - oder der Klimakleber, der nach der Aktion nach Thailand in den Urlaub fliegt.
Nachhaltigkeitswirkungen können sich nur auf der Basis individueller Ökobilanzen nachweisen lassen. Jedem Erdbewohner steht bis 2050 noch ein CO2 Kontingent von 2,7 Tonnen pro Jahr zu.
Wer diese Forderung ablehnt, will entweder keinen Klimaschutz oder keine globale Gerechtigkeit. Die durchschnittliche CO2 Bilanz des Bundesbürgers wird derzeit (2012) auf 11 Tonnen geschätzt.
Nachhaltigkeitsbemühungen, die sich der Subjektorientierung vorbeischummeln, sind nicht nur überflüssig sondern schädlich!
Kapitel V: Genug ist nie genug - Wachstumszwänge und Wachstumstreiber
Strukturelle Wachstumszwänge
Fremdversorgersysteme beruhen darauf, die Distanz zwischen Verbrauch und Produktion ständig zu vergrößern. Dadurch können Produktionsprozesse, die vorher an einem Standort gebunden waren je nach Kosten und Qualitätsvorteilen verschoben werden. Jede Stufe muss vor der Produktionsphase die nötigen Inputfaktoren vorfinanzieren. Dazu braucht es Kapital. Fremdkapital kostet Zinsen, Eigenkapital verlangt nach einer hinreichenden Rendite, sonst wäre es anderweitig besser investiert. Außerdem nimmt mit der räumlichen Entgrenzung der Bedarf an Infrastruktur und Anlagen zu.
Beispiel: Ein einfacher Markt besteht aus einem Konsumgüterbetrieb, aus Arbeitnehmern und Anbietern weitere Inputfaktoren, die auch die Konsumenten sind.
Periode 1
Das Unternehmen wendet 1000 Euro auf, um 750 Euro an Löhnen und 250 Euro an anderen Inputfaktoren zu finanzieren.
Periode 2
Der Output soll für 1000 Euro + X Euro verkauft werden. X ist nötig, sonst entstünde kein Gewinn. Nehmen wir für X=100 an (könnte jeder positive Betrag sein)
Jetzt werden auf der Nachfrageseite, die 1000 Euro einnimmt, zusätzliche 100 Euro gebraucht. Wenn die Fima auch in Periode 2 weiter nur 1000 Euro einsetzt, entsteht eine Lücke und die Produkte können nicht vollständig abgesetzt werden. Sie muss also mindestens 1100 für die Produktion aufwenden. Dadurch entsteht in der nächsten Periode wieder ein zusätzlicher Bedarf an 100 Euro.
Dadurch entsteh lineares Wachstum!
Es ist anzunehmen, dass die zusätzliche Investition von jeweils 100 Euro pro Output finanziert wird und das eingesetzte Kapital kostet Zinsen. Bei einem gleichbleibendem Gewinn von 100 Euro würde der Gewinn durch die Zinsen bald aufgefressen. Deshalb muss der Gewinn tatsächlich exponentiell wachsen. Die Zinsen müssen mit in den Preis einfließen. Bezüglich des Einsatzes von Eigenkapital siehe oben. Die Wirkung des Zinses als Verursacher exponentiellen Wachstums bleibt erhalten.
Schlussfolgerung: Um strukturelle Wachstumszwänge zu mildern muss man weniger Kapital einsetzen (oder den Zins abschaffen!)
Kulturelle Wachstumstreiber
Konsumgüter tragen zum persönlichem Glücksgefühl zunächst bei. Das ebbt aber bald ab und braucht neuen Input.
Die Glücksforschung zeigt, dass die Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens nach Erreichen eines bestimmten Niveaus das Glück nicht weiter ansteigen lässt.
Trotzdem wird ständig versucht, den Konsum zu erhöhen. Als eine mögliche Begründung hierfür nennt der Ökonom Fred Hirsch, dass der Nutzen vieler Güter im Sozialprestige liegt und somit symbolischer oder demonstrativer Art sind. Konsum wird vom Wettbewerb geprägt, bei dem es um einen höheren Platz in der sozialen Hierarchie geht. Erreicht man den oder erlangt ihn wieder, fühlt man temporär Glücksgefühle.
Die resultierende Dynamik ähnelt einer Rüstungsspirale. Ein immer höherer Konsum ist nötig, um ein bestimmtes Glücksniveau aufrecht zu erhalten.
Die nie versiegende Quelle für gesellschaftspolitischen Handlungsbedarf speist sich aus der Aufdeckung sozialer Differenzen, die dann durch weitere Konsumption ausgeglichen oder aufrechterhalten werden sollen. Genug ist eben nie genug. Wachstum erzeugt Differenzen, deren Beseitigung - ganz gleich auf welchem Niveau - neues Wachstum erzeugt.
Kapitel VI: Weniger ist mehr -Umrisse einer Postwachstumsökonomie
Eine Postwachstumswirtschaft muss die benannten strukturellen und kulturellen Wachstumstreiber vermeiden. Die strukturellen kann man nur durch eine Verkürzung oder Entflechtung komplexer Produktionsstätten mildern. Die Reduktion des Fremdversorgungsgrades reicht von regionaler Versorgung über lokaler Versorgung bis zur Subsistenz (Selbstversorgung)
Kulturellen Wachstumstreibern kann man nur durch eine neue Kultur der Genügsamkeit entgegentreten.
Das Fundament der Postwachstumsökonomie beruht auf Subsistenz und Suffizienz. (Mehr selber machen, weniger brauchen und sich gut dabei fühlen. Der Wettbewerb - wenn er denn schon sein muss - sollte nicht darum gehen wer mehr hat, sondern darum, wer weniger braucht und mehr davon selbst macht!)
Ökonomie der Nähe: Milderung struktureller Wachstumszwänge
Vorteile einer Ökonomie der Nähe:
Transparenz Wenn sich Kapitelgeber und -Nehmer kennen, Konsumenten zugleich Kapitalgeber der Produzenten sind, entsteht durch Nähe und Verflechtung Vertrauen, das geringere Risikozuschläge erfordert.
Empathie Durch die Nähe und die Verflechtung kennt man die Geschäftspartner. Man lebt in derselben Gemeinschaft mit ihnen. Da ist die Hemmung größer, einen Bekannten oder gar Freund zu betrügen oder abzuzocken.
Interessensgleichheit Wenn sich in einer genügend kleinen Ökonomie Kapitelgeber zugleich die Verwender der Produkte der Kapitalverwerter sind, würde eine Erhöhung der Kapitelzinsen oder Rendite sie selbst auch treffen.
Verwendungskontrolle Investiert der Kapitalgeber in der eigenen Region, kann er damit nach seine eigene ethisch politische Überzeugung investieren und ist mit dem Kapitalnachfrager gemeinsam am Gedeih der Heimat interessiert.
Wird für die Region und nicht für den globalen Markt produziert, fallen Transportwege weg, die Produktionsstätten bleiben kleiner, sehr teure Anlagen rechnen sich nicht, durch die Begrenzung des Marktes ist auch das Wachstum begrenzt.
Regionale Komplementärwährungen wie der "Chiemgauer" oder der "Bremer Roland" könnten eine räumliche Entflechtung unterstützen. Da der Gültigkeitsbereich begrenzt ist, besteht das Interesse statt teurem Umtausch in die Hauptwährung das Geld lokal auszugeben.
Der Effekt würde gefördert, wenn die Komplementärwährung zinsfrei und umlaufgesichert wären. Dabei brächte das Geld nicht nur keinen Zins, sondern würde an Wert verlieren, stellt man es länger nicht dem Markt zur Verfügung.
So richtig funktioniert das nur, wenn auch die Hauptwährung ohne Zinsen und umlaufgesichert wäre, denn sonst ist der Druck groß, sein Geld in dieser Währung "anzulegen". Aber ein Anfang wäre gemacht!
Damit würde die künftige Wirtschaft aus drei Säulen bestehen.
- Geldlose Lokalversorgung (Tauschkreise, selber machen für sich und Freunde)
- regionale Märkte auf der Basis von zinslosen, umlaufgesicherten Komplementärwährungen
- Leistungen aus globaler Arbeitsteilung für den lokal nicht herstellbaren Rest
Die damit angestrebte teilweise Deglobalisierung ist nur zum Preis der Reduktion der Warenvielfalt und der Kaufkraft erhältlich. Aber das ist genau das, worum es geht!
Kreative Subsistenz als Ersatz für Industrieoutput
Die kürzeste Wertschöpfungskette entspräche der kompletten Selbstversorgung. Das ist utopisch und auch nicht wünschenswert
Wer beispielsweise mit anderen Nutzern einen Gemeinschaftsgarten betreibt, trägt zu einem Versorgungsmuster bei, das kein Geld, kaum Kapital, keinen Gewinn, keinen Zins und folglich keinen Wachstumszwang kennt.
Durch die Verkürzung der Erwerbsarbeit ließen sich Selbst- und Fremdversorgung so kombinieren, dass die Abhängigkeit von einem auf Geld basierenden Einkommen sinkt.
Wodurch lässt sich der Bedarf an Industriegütern reduzieren?
1. Nutzungsintensivierung durch Gemeinschaftsnutzung. Einen Gegenstand vom Nachbarn leihen und ihm dafür ein Brot backen oder was anderes leihen, Vieles kann gemeinsam angeschafft oder wechselseitig mitbenutzt werden (Werkzeuge, Waschmaschinen, Gemeinschaftsräume, Gärten...)
2. Verlängerung der Nutzungsdauer. Bessere Pflege und Wartung, Reparatur. Reparatur- Arbeitskreise und -Shops haben sich als Sonderformen von Tauschkreisen regional schon gut bewährt!
Verdoppelt man die Lebensdauer eines Produktes, kann die Produktion halbiert werden.
3. Eigenproduktion. Gerade bei der Nahrung, deren Ausbleiben am schnellsten zum Kollaps führen würde, kann man sich leicht selbst helfen. Fast jeder kann lernen einen Hausgarten zu bewirtschaften, einen Dachgarten oder Balkongarten anzulegen oder bei einem Gemeinschaftsgarten mitzuhelfen. In dem Bereich ist der ökologische Gewinn besonders groß. Frische und Qualität steigen.
Handwerkliche- und künstlerische Leistungen, kreative Wiederverwertung ausrangierter Gegenstände usw. sind weitere Spielarten von Eigenproduktion.
Die drei genannten Möglichkeiten lassen sich je nach Fähigkeiten und Neigungen beliebig kombinieren und machen weniger abhängig von Fremdarbeit auf Geldbasis.
Viel Fremdarbeit für viele Konsumgüter kostet Zeit! Wir brauchen Zeit um die verbleibenden wichtigen Konsumgüter genießen zu können.
Wer weniger benötigt, dem kann man weniger wegnehmen und er ist weniger angreifbar.
Wo sich die Fähigkeit zu Selbermachen mit Genügsamkeit verbinden, werden Lebensstile robust.
Die Rolle der Unternehmen
Nach dem Rückbau kommt der Umbau. Neue Güter sollen viel langlebiger und reparaturfreundlicher werden. Gewollte Sollbruchstellen zur Absatzsteigerung müssen wegfallen.
Betriebe müssen:
- Wertschöpfungsketten verkürzen
- Arbeitszeitmodelle einführen, die die Arbeitnehmer nur noch halb so lange beschäftigt wie bisher.
- Rohstoffe, Werkzeuge und Mitarbeiter lokal beschaffen
- an Regionalwährungssystemen teilnehmen und sie fördern
- das Produktdesign modularer, reparabler, wiederverwertbarer machen
- Schulungen anbieten, die dem Erhalt, Reparatur und Wiederverwendung ihrer Produkte fördern
Weitere Aspekte einer Postwachstumsökonomie
Den Banken soll das Recht genommen werden, Geld zu schöpfen. Das ist ausschließlich das Vorrecht des Staates.
Neu geschöpftes Geld soll zinsfrei in Umlauf gebracht werden.
Dies schließt die Verwendung von Regionalwährungen nicht aus.
Die Organisationsformen von Unternehmen soll sich hin zu Genossenschaften, Stiftungen, Non-Profit-Firmen entwickeln. Das gilt besonders für Banken.
Es muss eine Bodenreform geben. Boden ist kein produziertes Gut, sondern eine endliche Ressource. Grund und Boden muss allen Menschen zur Verfügung stehen, was sich nicht mit der Konzentration von Privateigentum an Grund und Boden verträgt.
Privatleute und Investoren können nur Pächter aber nicht Besitzer von Grund und Boden sein.
Das Bildungs- und Schulsystem muss verändert werden. Die neuen Werte und Erkenntnisse müssen vermittelt werden. Die reine Wissensvermittlung muss von einem polytechnischem Unterricht abgelöst werden, in dem handwerkliche Fähigkeiten nicht im Gegensatz zu theoretischem Wissen stehen.
Alle Produkte sollen mit einem CO2 Footprint versehen werden.
Die Verteilungs- und Steuerpolitik könnte auch Obergrenzen für Einkommen und Vermögen umfassen.
Im Übergang sollte es ein Grundeinkommen oder Bürgergeld geben, das an gemeinnützige Tätigkeiten und Bedürftigkeit gebunden ist.
Dies sind nur ein paar Aspekte einer künftigen Postwachstumsökonomie.
Fazit: Wir haben (noch) die Wahl
Gegenwärtig ist eine Postwachstumsökonomie bestenfalls für eine sehr kleine Gruppe akzeptabel. Die Transition Town-, Urban Gardening- oder Repair- Bewegung sind Beispiele für Pionierleistungen, die einiges von dem vorwegnehmen, was auch auf den Rest der Gesellschaft zukommen dürfte.
Die Frage ist nicht ob die Wachstumsgesellschaft zusammenbricht, sondern wann. Und ob
By design or by desaster?
also geplant und organisiert von statten geht, oder als Katastrophe über uns hereinbricht.
Je mehr Leute es sich vorstellen können für ihr Leben Elemente der Postwachstumsökonomie bereits vorausschauend zu entwickeln und in Teilen zu leben, desto leichter wird der Wechsel für Alle, wenn die Notwendigkeit ihn erzwingt, weil bereits auf bestehende erprobte Konzepte zurückgegriffen werden kann.
Also, worauf warten wir noch?
Anhang: Postwachstumsökonomie im Überblick (aus dem Buch)

Schlussbemerkung
Viele der Thesen von Herrn Paech hat man in der einen oder anderen Form schon in diesem Forum gelesen. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf die Beitragsserie Das Ende des Wachstums -die Auferstehung des Glaubens
und auf die Romanstudie Ökodorf "Eine Erde"
Gut gefällt mir, dass Herr Paech die Unmöglichkeit des "Grünen Wachstums" sehr ausführlich begründet hat. Er hat deutlicher und überzeugender darauf hingewiesen als ich das bisher tat, dass es nicht reicht, kommunistische Verteilungskritik zu üben, sondern dass das "Übel" weit darüber hinaus geht.
In ihm haben wir Selbstversorger einen Vertreter im universitären Bereich.
Leider ist uns auch die Überzeugung gemeinsam, dass die Zeit -obwohl sie drängt - noch lange nicht reif ist dafür, dass der Postwachstumsgedanke in die Politik eindringt. Gemeinsam ist uns auch die Hoffnung, dass die beispiel- und modellhafte Vorwegnahme von Postwachstums-Elementen insbesondere eine einfacher und bescheidenere Lebensweise den Fall aus der Konsum-Wachstumswelt für uns Vorreiter aber durch unser Beispiel auch für viele Andere möglicherweise abmildern könnte.
Nicht erwähnt - außer in der Nennung des Risikos der Technologienebenwirkungen eines jeden Wachstumszyklus - bleiben die Gefahren der Künstlichen Intelligenz. Darüber gibt es bei mir schon und wohl auch weiterhin einiges an Ideen, Befürchtungen und Vorstellungen.