Papyrus Autor Seitenwind Perspektiven 2023 Woche 6: Großstadttiere
Deine Perspektive:
Ein Stadtbewohner mit Fell, Federn oder Schuppen. Bist du die Taube in der U-Bahn, der Waschbär im Dach oder die Katze aus der Gasse?
Deine Aufgabe:
Der Betondschungel ist dein Spielplatz. Du stapfst durch urbane Geschichten, die den meisten Menschen entgehen. Bist du auf der Suche nach dem leckersten Happen oder heckst du vielleicht einen verschmitzten Masterplan aus? Schreibe eine Geschichte von Überleben, Strategie und Glück im Herzen der Metropole.
Heute um 15 Uhr ist die Deadline für die Einreichung des Beitrages für diese Woche. Ich bin spät dran.
Krisensitzung der Stadttiere (Ausschnitt)
„Ich begrüße euch alle zum zweiten Teil des heutigen Sitzungstages unserer tierischen Veranstaltung. Ich hoffe, die Nachtschläfer sind satt und noch nicht zu müde, und die Tagschläfer haben schon einigermaßen ausgeschlafen. Wir danken den Zoo-Tieren für ihre Gastfreundschaft!
Nachdem wir gestern die Gefahren der Anthropozoonosen, also der Krankheiten, die vom Menschen kommend die Tiere befallen, gesprochen haben, sprechen wir heute über die Zooanthroponosen, also die Erreger von Krankheiten, die auf den Menschen überspringen.
Wie Professor Rhino gestern so anschaulich ausgeführt hat, zeigt die Geschichte, dass eine überhandnehmende Art eine bedrohte Art ist. Die Natur sorgt für Gleichgewicht.“
„Genau“, viel Professor Rhino ein. „Der Mensch und seine Sklaventiere, die er zur Belustigung und als Nahrung hält, machen zusammen 97 Prozent der Wirbeltiere aus. Nur 3 Prozent sind wir Wildtiere. Das kann nicht stabil sein!“
Die Eule ließ sich nicht gerne unterbrechen. Ihr linkes Auge zuckte ungehalten.
„Heute Morgen hatten wir die Möglichkeiten erörtert, die im Influenzavirus liegen, jenem mutationsfreudigem Erreger, der immer wieder für Überraschungen gut ist. Schweinegrippe, Vogelgrippe H5N1, schrecklich für uns Tiere, aber eine Hoffnung, die menschliche Dominanz einzustutzen.
Heute Abend nun, haben wir einen Gast geladen, der ebenfalls ein hoffnungsvolles Virus in sich trägt. Es ist Vivaldi, ein Flughund aus Bangladesch. Bitte sehr!“
Ich erschrak als mein Name viel. Es war so weit, ich musste ans Rednerpult flattern!
Ich hing mich Kopf nach unten über das Rednerpult an die Stange, die zu diesem Zwecke angebracht war und steckte den Kopf zwischen den Flügeln durch.
„Du bist ja eine Fledermaus wie ich!“, rief begeistert die kleine Hufeisennase.
Das erleichterte mir den Einstieg:
„Ich muss doch sehr bitten! Wir sind zwar beide Fledertiere, aber ein Flughund ist keine Fledermaus! Ich kann prima sehen und riechen und benutze auch kein Echolot wie du zur Orientierung.
Das Virus, von dem der Professor sprach, heißt Nipah. Wir Flughunde bemerken es nicht. Menschen können krank werden und sterben oft.“
Der Professor ergänzte:“ das Nipah- Virus löst beim Menschen Enzephalitis (Gehirnentzündung) aus und ist zu ca. 50 Prozent tödlich. Die meisten anderen haben lange Nachwirkungen ähnlich dem Long Covid, das wir noch alle kennen von der letzten nicht sehr erfolgreichen zoonotischen Pandemie" …
„Herr Professor“, die Eule kam ihren Pflichten als Moderator nach. „Unser Gast Vivaldi hat das Wort! Wie kommt denn das Virus in den Menschen?“
„Äh, das wird durch Körperflüssigkeiten wie Speichel und Urin übertragen. Manchmal knabbern wir Früchte an, von denen auch Menschen essen. Aber meist wird es durch den Dattelpalmensaft übertragen.“
„Wie kommt dein Virus denn da rein?“, die Eule schien es eilig zu haben.
„Ähm, die Dattelpalmen werden von den Menschen geritzt, so dass der Saft austritt. Unter der Stelle sind Schüsseln befestigt, die den Saft auffangen.“
„Und?“, fragte die Eule.
„Wir mögen den Saft auch und lecken ihn vom Stamm oder naschen aus der Schale. Dabei kommt schon mal ein Spritzer Urin hinein, den wir ständig fallen lassen. Wozu den auch herumschleppen?“
Einige Tiere lachten.
„Aber ich möchte hinzufügen, dass die Menschen nicht blöd sind. Sie fangen an, die Schalen abzudecken und den Saft abzukochen. Im Übrigen mag ich die Menschen. Ich möchte ihnen gar nichts Böses tun.“
„Das will ich auch nicht“, rief ein Wildkaninchen. Seit wir in Stadtnähe leben, haben wir viel mehr Abwechslung bei der Partnerwahl. Ein Segen für die genetische Vielfalt!“
„Es gibt viel mehr zu Essen in der Stadt“, riefen der Steinmarder, die Ratten und die Tauben.
„Und viele hohe Gebäude und Mauern“, riefen der Turmfalke und die Fledermaus.
Professor Rhino machte ein entsetztes Gesicht.
Der Fuchs leckte sich listig über den Mund. „Nur keine Aufregung liebe Konferenzteilnehmer. Der Mensch ist so gescheit, er findet schon andere Mittel, seine Dominanz einzudämmen. Ganz ohne das Zutun von uns Tieren!“
Kaum eingestellt, schon ein paar Kommentare:
Tolle Idee, die nach meinem Geschmack durch zu viel 'Wissen' aufgeweicht wird und dadurch an Stringenz verliert. Trotzdem lasse ich ein virenfreies Büchlein da. – Heather 1 Stunde
Ja, hoffentlich finden die Menschen so ein Mittel. Buch von mir. – HolgerH 1 Stunde
Viel Information zum Thema Anthropozoonosen. Mag ich. Gut in Dialoge verpackt! Buch für Dich! – gui 1 Stunde
Der Abschluss gefällt mir besonders gut, „ Der Mensch ist so gescheit, er findet schon andere Mittel, seine Dominanz einzudämmen.“ Sehr interessant und weise geschrieben, ein Büchlein :notebook_with_decorative_cover: von mir. – Ligo_Sommer 40 Minuten
Komplex und informativ. Außerdem ist diese „Konferenz der Tiere“ sehr menschlich dargestellt, was auch wieder zu einer starken Aussage führt. „Die Natur schlägt zurück, die Frage ist nicht wie, sondern nur - wann“. Toller Text, sehr gut gelungen, natürlich ein Buch dafür. – Pütchen 20 Minuten
allerdings befürchte ich, dass die Kommentatoren und Büchlein Spender nicht ganz aufrichtig sind. Es sind durchweg welche, die schon viele Büchlein haben und um den Sieg kämpfen. Die Hoffnung, wie ich es meist mache: Ein Büchlein von dir, ein Büchlein von mir!