Zitat von petias im Beitrag #45
Um die Wahrheit geht es nicht. Es geht nur um gute Geschichten.
Nochmal zu dem Zitat. In dem Beitrag, aus dem es stammt, ging es um die Urknall- Theorie und die Gesetzmäßigkeiten der Evolution.
In der Philosophie (Liebe zur Weisheit, nicht Wahrheit) geht es um Geschichten. Besser Modelle. Erklärungsmodelle für den Zusammenhang von Fakten. Einschätzung (beziehen) von moralischen Positionen. Die "Wahrheit" ist dabei in der Regel gar nicht zu erkennen, oder irrelevant. Moralische Positionen z.B. haben nichts mit Wahrheit zu tun.
Wenn die Wahrheit nicht letztlich zu erkennen ist, sondern man nur Modelle anbieten kann, die möglichst viele der Fakten erklären, kann man das auch Geschichten nennen. Wenn diese Geschichten weise sind, also den Menschen und der Natur, von der er ein Bestandteil ist nützen, dann ist das Philosophie. Man sieht das schon am Umstand, dass es nicht eine "Wahrheit" gibt, sondern verschiedene Erklärungsversuche, die sich mit dem Zeit- Gespenst (Zeitgeist) und neu gewonnenen Fakten verändern.
Das gilt für alles, was über den unmittelbaren Erfahrungshorizont des Menschen hinausgeht und nicht definierte, erfahrbare Wirklichkeit ist.
Aber innerhalb diese Erfahrungshorizonts und innerhalb der von (fast) allen akzeptierten Realitäten gibt es sehr wohl Wahrheit und Lüge. Es gibt keine alternativen Fakten, es gibt nur Lüge. (Mal von Drogenrausch und psychischen Erkrankungen abgesehen.)
Innerhalb dieses Horizonts ist die Wahrheit ein hohes Gut. Und wir werden als Menschen und erst recht als Menschheit nur zusammenleben können, wenn wir uns an Fakten halten und die Schlussfolgerungen daraus diskutieren und bewerten.
Nur wenn wir dieselbe Faktenbasis haben, kann es demokratische Prozesse geben.
Fakten (innerhalb eines gemeinsam definierten kulturellen, politischen Bezugsrahmens) sind die Voraussetzung einvernehmlichen bzw. solidarischen Handelns.
Beispiel: Trump nannte eine völlig utopische Zahl von Besuchern hinsichtlich seiner Amtseinführung. Ein Pressesprecher des White House nannte das "alternative Fakten" um das Wort Lüge bzw. Fehlwahrnehmung zu vermeiden.
Im Grunde war klar, dass Trump nicht die Wahrheit gesagt hatte. Das Problem war, dass sein Mitarbeiter und seine Wähler bereit waren, ihm das durchgehen zu lassen.
So etwas ist eindeutig mittels Faktencheck zu klären. Hat aber Lüge keine Konsequenzen, wird sie salonfähig.
Es muss deshalb ein System von Faktenchecks geben von verschiedenen Seiten und die Wahrheit muss eindeutig geklärt werden. Lüge erfordert Konsequenzen.
Strafen bei falscher oder einseitiger Produktwerbung. Zwang zum Rücktritt von Politikern, die lügen. Verlust der Zulassung von Journalisten oder Anwälten, die beim Lügen erwischt werden ...
Vorab muss immer geklärt werden: handelt es sich um Meinungen, Theorien, Erklärungsmodelle, Geschichten oder um Faktenbehauptungen. Letztere müssen stimmen. Bei bewusster Lüge muss das zu Konsequenzen führen.
Im anderen Fall (ich halte den leider für realistischer) landen wir in einer Dystopie alla 1984.
Liebe zur Wahrheit, wo sie erkennbar ist.
Liebe zur Weisheit, wo das nicht der Fall ist.
Um mit der Wahrheit dann richtig umzugehen, sinnvolle Schlüsse daraus zu ziehen, erfordert ebenfalls Weisheit!